Kochen ist mehr als nur das Zubereiten von Nahrungsmitteln. Es greift auf lange kulinarische Traditionen zurück, überträgt diese in die jetzige Zeit, und passt sie den veränderten Umständen an. Kochen lässt sich demzufolge durchaus im Sinne dessen verstehen, was Walter Benjamin die Arbeit des Übersetzers nennt. Zugleich gilt es beim Kochen nicht nur, an ein persönliches Familienerbe zu erinnern, sondern diese partikularen Memoire im Zusammenhang mit einem grösseren Regelsystem zu verbinden.
Kochen lässt sich nämlich auch im Sinne der von Claude Lévy-Strauss erarbeiteten Strukturen von Mythen begreifen. Die wenigen Zubereitungsformen – im rohen Zustand verspeisen, in einer Pfanne braten, in einem Topf kochen, dämpfen, pochieren, im Ofen backen oder unter dem Grill rösten – folgenden den Regeln einer übergreifenden Sprache. Einzelne Rezepte lassen sich hingegen als eine Vielzahl an individuellen Artikulationen auf der Ebene der Worte verstehen.
Und schliesslich hat Kochen auch in einem ganz individuellen Sinn mit Denken zu tun: Es löst Erinnerungen an vergangene kulinarische Abenteuer (und auch Katastrophen) aus, regt an, diese zu Geschichten zu verarbeiten. Die Erinnerung dient zugleich dazu, viele noch zu kommende kulinarische Momente zu antizipieren. Es verbindet also, wie jede Phantasiearbeit, die Gegenwart mit der Vergangenheit und der Zukunft.
Der Koch-Performance-Vortrag ist kostenlos. Für das anschliessende gemeinsame Dinner (ab 20 Uhr) bitten wir um Anmeldung, sowie einen Selbstkostenbeitrag von 50 CHF. Die Teilnehmerzahl ist beschränkt.
Prof. Dr. Elisabeth Bronfen untersucht als Professorin für englische und amerikanische Literatur an der Universität Zürich unter anderem den Feminismus des 21. Jahrhunderts und ist Autorin von «Besessen. Meine Kochmemoiren» (Echtzeit Verlag). Mehr
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